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04.12.2015, 13:34 Uhr

Umfassendes Gesamtkonzept zur Bekämpfung des IS

Der Deutsche Bundestag hat heute den Antrag der Bundesregierung, bewaffnete deutsche Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS einzusetzen, mit großer Mehrheit bestätigt. Auch ich habe dem Bundeswehreinsatz zugestimmt – nach reiflicher Überlegung und schließlich aus vollster Überzeugung. 

Die Anschläge von Paris haben nicht nur der Opfer im Bataclan oder auf den Straßen der französischen Hauptstadt gegolten. Sie haben nicht nur Frankreich gegolten. Sie haben auch uns gegolten – unserer westlichen Lebensweise, unserer Demokratie, der Wahlfreiheit, der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Unsere gesamte Zivilisation wird durch die bestialischen Taten des IS bedroht. Sie wollen unserem Gesellschaftsmodell, dem die Freiheit des Einzelnen zugrunde liegt und das Minderheiten schützt, ein Ende bereiten und dieses durch eine pseudo-religiöse Terrorherrschaft ersetzen. Dass die Terrorherrschaft des IS eingedämmt und beendet werden muss, darüber herrscht Einigkeit im Deutschen Bundestag. Uneinig waren wir uns über die Wahl der Mittel. 
 
Meiner festen Überzeugung nach brauchen wir ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung des islamischen Terrors. Dem IS muss mit allen Mitteln, die der freien Welt zur Verfügung stehen, ein Ende bereitet werden. Dazu gehört auch der Militäreinsatz, ebenso wie politische, diplomatische und humanitäre Konzepte. 

Der Militäreinsatz

Ziel der militärischen Operationen ist es, dem IS die Rückzugsräume zu nehmen, Rekrutierung, Nachschub und Versorgung zu unterbinden, um weitere Anschläge – auch und vor allem in Europa – zu verhindern. Zugleich müssen wir erreichen, dass der IS keine Gräueltaten mehr an der Zivilbevölkerung begehen kann. Die Menschen müssen in der Region endlich wieder in Frieden leben können – auch damit Millionen Syrer auf der Flucht wieder in ihre Heimat zurückkehren können.
 
Der Einsatz ist zunächst bis zum 31.12.2016 befristet. Er erfolgt durch die Bereitstellung von Luftbetankung, Aufklärung (insbesondere luft-, raum- und seegestützt), Begleitschutz für den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle und Stabspersonal zur Unterstützung. Insgesamt sollen sich an dem Einsatz bis zu 1200 Soldaten mit Ausrüstung beteiligen. Der Einsatz unserer Streitkräfte erfolgt vorrangig im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation IS in Syrien sowie auf dem Territorialgebiet von Staaten, von denen eine Genehmigung der jeweiligen Regierung vorliegt, sowie im Seegebiet östliches Mittelmeer, Persischer Golf, Rotes Meer und angrenzenden Seegebieten.
 
Bundesverteidigungsministerien Ursula von der Leyen hat eindeutig bekräftigt, dass es keine Zusammenarbeit mit Armeeeinheiten unter der Befehlsgewalt des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad geben wird. Den Kampf gegen den IS am Boden müssen lokale Truppen führen.
 
Generalinspekteur Volker Wieker macht deutlich, dass unsere Bundeswehr für den Einsatz ausreichend gerüstet ist. Die Luftwaffe verfügt derzeit über 30 einsatzbereite Tornados, von denen schon in der kommenden Woche sechs Maschinen zur Aufklärung nach Syrien verlegt werden können. Auch die Fregatte "Augsburg", die zum Schutz des französischen Flugzeugträgers "Charles de Gaulle" eingesetzt werden soll, ist in wenigen Tagen startklar.

Ohne eine militärische Präsenz im mittleren Osten wird Diplomatie keine Chance haben, denn Diplomatie ist kein Regulativ für den IS.

Die rechtlichen Grundlagen

Frankreich hat alle EU-Mitgliedstaaten um Beistand nach der EU-Beistandsklausel (Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages) gebeten. Unsere Verantwortung liegt darin, zu handeln. Wir stehen hier vor einer neuartigen Bedrohung unserer Sicherheit. Darauf findet das Recht eine Antwort. Die Legitimation zum äußersten Mittel, dem militärischen Beistand, spiegelt sich im Recht wider.
 
Rechtsgrundlage des Einsatzes ist Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen (Recht auf kollektive Selbstverteidigung). Die Vereinten Nationen sind ein System kollektiver Sicherheit im Sinne unseres Grundgesetzes. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist anerkannt, dass ein Staat sich (auch mithilfe anderer Staaten) gegen Angriffe eines internationalen Terrornetzwerks verteidigen darf. 
 
Für die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts ist es nicht erforderlich, dass stets eine ausdrückliche Sicherheitsratsresolution nach Kapitel VII der VN-Charta vorliegt. Ansonsten wäre die Bestimmung des Artikels 51 der VN-Charta überflüssig. Das Selbstverteidigungsrecht besteht vielmehr so lange, bis es dem Sicherheitsrat gelingt, mittels einer Kapitel-VII-Resolution die internationale Sicherheit wiederherzustellen. Dies ist bislang nicht erfolgt. 
 
Verstärkende Legitimationswirkung für die Ausübung des kollektiven Selbstverteidigungsrechts entfaltet die Sicherheitsratsresolution 2249. Sie ist zwar keine Resolution nach Kapitel VII der VN-Charta. Sie stellt aber mit den Formulierungen des Kapitel VII fest, dass der IS eine Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit ist. Daher ruft der Sicherheitsrat die Staaten dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Terrorakte des IS zu verhindern.
 
Ergänzend stützt sich der Einsatz auf die EU-Beistandsklausel nach Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages. Auf dem Treffen des Rates der EU-Verteidigungsminister in Brüssel am 17. November 2015 haben alle Mitgliedstaaten einhellig den französischen Antrag nach Artikel 42 Absatz 7 EU-Vertrag unterstützt und ihren Beistand zugesichert.
 
Die Befürchtung, der Einsatz verstoße gegen Artikel 26 des Grundgesetzes, erschließt sich mir nicht. Dieser Artikel erklärt Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören, insbesondere die Vorbereitung eines Angriffskrieges, für verfassungswidrig. Ein nicht-staatlicher Akteur richtet hier von staatlichem Territorium aus seinen Terror auf uns. Der IS hat eindeutig erklärt, dass wir uns in seinem Fadenkreuz befinden. Welches friedliche Zusammenleben der Völker man hier noch stören kann, entzieht sich für mich jeglicher Logik.

Das politische Konzept

Die militärische Komponente muss eingebettet sein in ein politisches Gesamtkonzept. Diese Verantwortung nimmt Deutschland mit seinen europäischen Partner wahr. Das ist im Übrigen auch die Antwort auf die Frage: „Wer ist wir?“ Wir als europäische Gemeinschaft müssen ein Handlungsformat gegenüber dem mittleren Osten entwickeln. 
 
Der wichtigste Pfeiler ist der politische Prozess der Wiener Verhandlungen zur Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien. Wenn es gelingt, eine Verständigung zwischen der verhandlungsbereiten Opposition und dem Regime in Syrien zu erreichen, gibt es die Chance für ein gemeinsames Vorgehen gegen den IS im Land. Erstmals sitzen dazu die USA, Russland, die Europäer aber auch regionale Akteure wie Saudi-Arabien und Iran an einem Tisch, um einen Waffenstillstand und einen politischen Übergangsprozess in Syrien auszuhandeln. Bisher wurde vereinbart: In sechs Monaten sollen die Voraussetzungen für eine Übergangsregierung geschaffen werden. Ein 18 Monate langer Übergangsprozess soll schließlich in freie und faire Wahlen münden. Dabei stehen der Erhalt der syrischen Staatlichkeit und ein Transformationsprozess weg von Assad an oberster Stelle.
 
Wir setzen zweitens auf die erfolgreiche Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe für Peschmerga, Jesiden und andere gemäßigte Gruppen, die sich dem IS entgegenstellen. Dazu werden wir das Mandat für die Ausbildungsmission der Bundeswehr im Nordirak von 100 auf künftig 150 Soldaten erweitern. Und wir stellen bis zu 100 Millionen Euro zur Ertüchtigung von regionalen Partnern bereit. Mithilfe der Luftunterstützung durch die Anti-IS-Koalition ist es den Peschmerga bereits gelungen, den IS aus Städten wie Kobane und Sindschar zu vertreiben. Das zeigt: Es ist möglich, den IS militärisch zurück zu drängen.

Austrocknung möglichst vieler Finanzierungsquellen des IS

Die finanzielle Austrocknung des IS ist ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Terror. Allein wird er uns aber nicht ans Ziel führen, da dem IS vor allem auch illegale Gelder als Finanzierungsquelle dienen – Gelder aus Entführungen, Erpressungen und anderen Taten. Mädchen und Frauen werden verkauft, dann verschleppt, vergewaltigt und gefoltert, damit der Terror finanziert werden kann. Diese Menschenverachtung ist an der Tagesordnung im Finanzsystem des IS. Aus diesem Grund kann finanzielle Austrocknung nie umfassend funktionieren. Dennoch wurden bereits Maßnahmen zur Austrocknung möglichst vieler Finanzierungsquellen des IS ergriffen.
 
Der UN-Sicherheitsrat hat schon im Februar 2015 beschlossen, dass alle Staaten Geldtransfers an den IS unterbinden müssen. Dies hat er mit der Resolution 2249 nochmals bekräftigt. Deutschland hat das schon umgesetzt und einen eigenen Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung geschaffen. Jetzt müssen alle anderen Staaten, insbesondere diejenigen in der arabischen Welt, ebenfalls alles dafür tun, um die Finanztransfers an den IS zu unterbinden und insbesondere sein Ölgeschäft zu vereiteln. Ziel des Militäreinsatzes ist auch die Zerstörung von Ölförderanlagen, die dem IS-Terror als wichtige Einnahmequelle dienen.

Humanitäre Unterstützung

Wir erhöhen die humanitäre Hilfe für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak um 400 Millionen Euro auf rund eine Milliarde Euro. Zudem stellen wir im nächsten Jahr 850 Millionen Euro mehr für die Entwicklungszusammenarbeit bereit. Dieses Geld kommt vor allem den Menschen zu Gute, die vor dem IS fliehen.

Mögliche Auswirkungen auf Deutschland

Viele Menschen haben die Sorge, dass wir mit einer militärischen Unterstützung Frankreichs auch Deutschland als Anschlagsziel des IS provozieren. Dazu kann ich leider nur sagen: Deutschland ist längst Ziel des IS. Die Absage des Fußballspiels zwischen unserer Nationalmannschaft und der der Niederlande ist nur ein Indikator dafür. Auch zwei Deutsche kamen in Paris ums Leben – allein weil sie mit den Franzosen und Bürgern vieler anderer Nationen unser europäisches Leben lebten.
 
Egal, ob sich ein Land am militärischen Einsatz beteiligt, oder nicht. Ziel des IS sind nicht die Staaten, die sich gegen seinen Terror zur Wehr setzen. Ziel sind die „Ungläubigen“, der Westen, die freie Welt. Passivität schützt uns nicht.
 
Uns allen stellt sich die Frage: Können wir uns einfach so wegducken und hoffen, dass es andere Nationen trifft – andere Kinder, Frauen und Männer? Der beste Schutz gegen den Terror ist, diesen mit allen Mitteln zu bekämpfen. Dazu gibt es ein Gesamtkonzept, dass auch den Militäreinsatz einschließt. 
 
IS mit allen Mitteln entschieden bekämpfen

Wir müssen uns heute entscheiden: Lassen wir den IS-Terror einfach gewähren? Ich meine: Nein! 
 
Wir müssen einstehen für Frieden und Freiheit, für unsere Grundordnung, für unsere Art zu leben. Am Ende stand für mich ganz persönlich die Frage: Wie kann man das Mandat vor dem Hintergrund des Leids der vielen Kinder, Frauen und Männer in der Region, aber auch vor dem Hintergrund der Bedrohung der westlichen Welt und unserer Art zu leben, ablehnen? Ich meine: Gar nicht!
 
 
 
 
 



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